Gleichberechtigung zwischen Werktätigen und Kapitalisten?

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„Im Feudalismus gehen Ausbeutungs- und Herrschaftsverhältnis Hand in Hand, das eine erscheint im anderen. Im arbeitsteiligen Kapitalismus ändern sich die Dinge: das Herrschaftsverhältnis ist jetzt in der Trennung des Arbeiters von den Produktionsmitteln begründet, während das Ausbeutungsverhältnis im Doppelcharakter der Arbeitskraft verborgen ist. Die Auswirkungen von Herrschaft und Ausbeutung sind zwar sichtbar, etwa in der ungerechten Verteilung, die Ursachen sind aber nur der Reflexion zugänglich. Im Kapitalismus treten Arbeiter (Werktätige, Proletarier) und Kapitalisten einander als freie und gleichberechtigte Marktteilnehmer auf. Beide in ihrer Rolle als Warenbesitzer, die im Kaufen und Verkaufen einen optimalen Tausch anstreben. Das Reproduktionsinteresse des Arbeiters zwingt ihn, seine Arbeitskraft immer wieder zum Kauf anzubieten. Er ist davon abhängig, daß seine Arbeitskraft Gebrauchswerte für andere, Wert, erzeugt. Nur dann hat der Erwerb der Arbeitskraft für den Kapitalisten einen Sinn, nur dann hat dieser die Möglichkeit, den in der Ware vergegenständlichten Wert auf dem Markt zum Tauschwert zu erlösen. Beide, Kapitalist wie Arbeiter, teilen innerhalb der kapitalistischen Produktionsweise das Interesse, den Zyklus von Produktion und Zirkulation, die Verwertung von Wert, erfolgreich abzuschließen.“ Q: Kai Wagner, ZME Heft 113, 2018, S. 129

Dem kann man eigentlich nicht so richtig zustimmen, dem muß man eigentlich widersprechen. In der Sklaverei und im Feudalismus besaßen die Sklaven und Bauern genauso wenig, wie die Proletarier im Kapitalismus: nur ihre Arbeitskraft. Der Sklave war genauso von den Produktionsmitteln getrennt, wie der leibeigene Bauer. Die Ursachen der Herrschaft sind somit in jeder Gesellschaftsordnung die gleichen.

Im Kapitalismus sei die „Ausbeutung im Doppelcharakter der Arbeitskraft verborgen“. Dem Sklaven wurde das Produkt seiner Arbeit genauso abgenommen, wie dem Bauern im Feudalismus. Dort hieß es nur anders: der Zehnte Teil, oder so ähnlich. Als eingefleischter Marxianer kann Herr Wagner nicht zwischen unterschiedlichen Größen unterscheiden. Die menschliche Tätigkeit namens Arbeit hat zu allen Zeiten Produkt- und Gebrauchswerte geschaffen. Und die Arbeitsteilung ist so alt wie die Menschheit, so daß die hergestellten Produkte in jeder Gesellschaftsordnung getauscht wurden. Der Tauschwert ist lediglich eine Folge des Austausches, also eine Folge und keine Ursache in einer kausal gedachten Beziehung. Der Tauschwert erscheint immer dann, wenn zwei Produkte gegeneinander getauscht werden (siehe konsIkon). Er ist also nicht an´s Geld gebunden, wie die Marxianer alle glauben.

Dem Arbeiter wird das Produkt seiner Arbeit genauso schnell abgenommen wie dem Sklaven in der Sklaverei. Der Arbeiter ist eigentlich zu keinem Zeitpunkt ein wirklicher Warenbesitzer. Hinter der Aussage von Kai Wagner steckt implizit die Vorstellung der Marxianer, daß die Arbeitskraft des Arbeiters bereits eine Ware sei. Diese Ansicht ist aber völlig absurd. Die Arbeitskraft ist bestenfalls eine Fähigkeit, eine Eigenschaft. Eigenschaften sind aber keine losgelösten, realen Dinge, sondern sie können immer nur an einer realen Menge hängen. (siehe dazu das MEGW-Konzept in der konsIkon). Aufgrund dieser falschen Vorstellung wird auch die Aussage von Kai Wagner, daß der Proletarier seine Arbeitskraft verkauft falsch. Damit wird auch die Aussage, daß Kapitalist und Arbeiter gleichberechtigte Marktteilnehmer seien, falsch.

Der Kapitalist kauft nicht die Arbeitskraft des Lohnarbeiters, er nimmt ihm die hergestellten Produkte ab und zahlt ihm dafür einen Lohn. Aufgrund der in einer Geldwirtschaft allgemein vorherrschenden Beziehungen Ware ⇔ Geld plus Geld ⇔ Ware kann der Industriekapitalist seinen Arbeitern in Summe nur den Lohn auszahlen, den er durch den Verkauf der angeeigneten Waren erlöst hat. Für den Kapitalisten erscheinen die beiden Vorgänge sozusagen in umgekehrter Reihenfolge: Geld ⇔ Ware plus Ware ⇔ Geld. Den Lohn, den der Kapitalist im ersten Vorgang zahlt, kann er nur aus einem vorangegangenen zweiten Vorgang haben. Das ist der große und entscheidende Unterschied zwischen Arbeitern und Kapitalisten.

Was meint Herr Wagner mit ´Verwertung von Wert´? Ich nehme einmal an, daß der Marxianer Wagner in dem gleichen Irrtum befangen ist, wie sein Meister: Das Geld sei der allgemeine, für sich selbst konstituierte Wert aller Dinge. Die falschen Annahmen hinter diesem Trugschluß habe ich in den ´Grundeinheiten ökonomischer Größen´ dargelegt und möchte meine Leser bitten, ersteinmal dort nachzuschauen. Ich nehme an, daß Herr Wagner, genau wie sein Meister, Gebrauchswert mit Tauschwert verwechselt. Mit der ´Verwertung von Wert´ ist aber die gesellschaftliche Anerkennung individuell geleisteter Arbeitszeit gemeint, also die Produktwertäquivalenz der getauschten Waren.

Querverweise

siehe Tauschwert in der konsIkon
siehe MEGW-Konzept in der konsIkon
siehe Produktwertäquivalenz in der konsIkon